von Daniel Sprunger

Das neue Erbrecht 2023

In der ersten Etappe der Erbrechtsrevision sind einige Änderungen enthalten. Dazu ist in der Praxis Folgendes zu beachten:

1. Pflichtteil

Die Verfügungsfreiheit des Erblassers oder der Erblasserin wird ausgeweitet. Zum einen wird der bisher bestehende Pflichtteil der Eltern aufgehoben. Zum anderen wird der Pflichtteil der Nachkommen, der bisher drei Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs ausmacht, auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs verringert. Erblasser können somit über mindestens 50 % ihrer Hinterlassenschaft frei verfügen.

 

2. Ehegattenerbrecht bei hängigem Scheidungsverfahren

Das Erbrecht zwischen Ehegatten bleibt unverändert. Jedoch findet sich eine Änderung im Ehescheidungsverfahren. Durch den revidierten Art. 472 nZGB verliert der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner seinen Pflichtteilsanspruch, wenn:

  • das Verfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder fortgesetzt wurde
    oder
  • die Eheleute mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben.

In beiden Fällen gelten die Pflichtteile, als ob der Erblasser nicht verheiratet gewesen wäre.

Dasselbe gilt für Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen (Art. 120 Abs. 3 Ziff. 2 nZGB) und ehevertragliche Begünstigungen im Falle einer vereinbarten anderen Beteiligung am Vorschlag unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung oder des Gesamtguts (Art. 217 Abs. 2 und Art. 241 Abs. 4 nZGB).

 

3. Nutzniessung gemäss Art. 473 nZGB

Ehegatten oder Personen in eingetragener Partnerschaft können sich weiterhin meistbegünstigen durch Einräumung einer Nutzniessung am Erbteil, der auf gemeinsame Nachkommende entfällt. Zusätzlich kann dem überlebenden Elternteil gemäss Art. 473 Abs. 2 nZGB neu die Hälfte des Nachlasses zugesprochen werden.

Im Falle einer Wiederverheiratung resp. Neubegründung einer Partnerschaft entfällt gemäss Art. 473 Abs. 3 nZGB die Nutzniessung am Pflichtteil der Nachkommen. Diese erhalten nachträglich Anspruch auf ihre unbelasteten Pflichtteile.

 

4. Schenkungen

Nach neuem Recht unterliegen Verfügungen von Todes wegen und Zuwendungen unter Lebenden, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke gemäss Art. 494 Abs. 3 nZGB, der Anfechtung, soweit sie:

  • mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind
  • im Erbvertrag nicht vorbehalten worden sind

5. Selbstvorsorge mit Säule 3a

In der Praxis ist umstritten, wie die gebundene Selbstvorsorge innerhalb des Erbrechts behandelt wird. Die Revision soll Klarheit bringen. Nach neuem Recht haben alle Begünstigten einer anerkannten Vorsorgeform Anspruch auf die ihnen daraus erwachsende Leistung. Es wird folglich keine Unterscheidung mehr gemacht zwischen Versicherungseinrichtung und Bankstiftung, sondern den Begünstigten werden ihre Ansprüche äquivalent ausbezahlt.

Gemäss Art. 476 Abs. 2 nZGB werden künftig Leistungen, die direkt in das Vermögen der Begünstigten gelangen, für die Berechnung der Pflichtteile zum Vermögen des Erblassers hinzugerechnet – und zwar zum Rückkaufswert bei Versicherungen resp. zum Kapitalbetrag bei Bankleistungen im Zeitpunkt des Todes.

 

6. Gegenstand und Reihenfolge der Herabsetzung

Erben, die nicht ihren vollständigen Pflichtteil erhalten, können mit der Herabsetzungsklage die Herabsetzung der Verfügung auf das erlaubte Mass verlangen (Art. 522 Abs. 1 ZGB).

Der revidierte Art. 532 nZGB legt dafür eine Reihenfolge fest. Der Herabsetzung unterliegen bis zur Wiederherstellung des Pflichtteils:

1. die Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge

2. Zuwendungen von Todes wegen

3. Zuwendungen unter Lebenden

Sicherheit bei Rechtsfragen

Haben Sie Fragen zu den Änderungen im Erbrecht oder im Zusammenhang mit ihrer eigenen Situation? Rufen Sie uns an.

Autorin:
Flora Haussener
Verwaltungsrätin Sprunger Partner AG
Geschäftsführerin und Notarin bei Haussener und Partner Notare Bern

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